Zwei
Generationen
Kunst:
Uwe
Bangert
und
Kay
Prinz
(15.9.2024)
Liebe Kunstaffine!
Herzlich
willkommen zum
Kolleg
im
Rahmen
des
Offenen
Ateliers
am
Westensee!
Kunsthistorikers:
Das Problem der Generation in der
Kunstgeschichte, 1926 veröffentlicht von
Wilhelm
Pinder.
Damals
der Star
unter
den
gelehrten
Kunstwissenschaftlern.
Mittlerweile ist seine Haltung zum Nationalsozialismus auch kritisch
aufgearbeitet, nebenbei bemerkt.
In seinem Buch verließ der
Autor
den so überaus beliebten
Topos
vom „Gänsemarsch
der Stile“. An
seine Stelle setzte er die Überlegung seiner Generationen-Theorie. Die
besagt, dass es ein Nebeneinander
von
unterschiedlichen
Künstlern in
einer
Epoche geben kann
als
Ausdruck der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen; eine geniale Erkenntnis, die
Pinder gewann durch Kennerschaft,
Wissen,
Denkmälerkunde
und
Vergleiche. Das
Buch
bezieht
sich
auf
ganz
Europa!
Wenn man sich zum
Beispiel einmal klar macht, dass die
Heroische Landschaft des Klassizisten Joseph
Anton Koch und der Mönch am
Meer des Romantikers Caspar David Friedrich etwa zur selben Zeit
geschaffen wurden, 1805 und 1809. Oder aber, noch ein weiteres
Beispiel nun
aus dem
Ende
des
19.
Jahrhunderts: Das
Thema
der
Heiligen
Nacht, einmal eher impressionistisch gemalt von dem deutschen
Künstler Fritz von Uhde um 1888/89 und ein anderes
Mal von dem Franzosen Paul Gauguin 1896 auf Tahiti. Gauguins Bild
ist
zwar
europäisch im
Thema,
aber
exotisch-Tahitianisch
im
Personal
und
in
moderner Manier gestaltet, wie er sie in seiner Zeit der Nabis in der
Bretagne entwickelt hatte. Da
liegen Welten in der
Auffassung und in der künstlerischen
Ausführung dazwischen und doch sind
die
zitierten
Gemälde
mit
ihren
unterschiedlichen
Bildwelten so
gut
wie
zur
gleichen
Zeit
entstanden.
Mit diesem paradoxen
Begriffspaar von der
Gleichzeitigkeit
des
Ungleichzeitigen
hat
Pinder einen
Schlüssel
erfunden,
mit
dem
man
von
der bis
dato
vorherrschenden
Linearität, also
der gesetzten
Abfolge von Phänomenen in der Geschichte der Kunst wegkommt und auch
krass kontroverse
Bildwelten
in
einem
gemeinsamen
Zeitraum
aushalten
kann.
So
lehrt
uns
Pinder einen
differenzierten Begriff von Geschichte, der unter anderem bestimmt wird von
den unterschiedlichen
biographischen Künstlergeschichten
und
dem
jeweiligen
Individualismus des Kunstschaffenden.
Nun in unserem Fall der
zwei Generationen Kunst:
Als Uwe
Bangert als freischaffender Künstler
zu
arbeiten
begann,
da
war
Kay
Prinz
noch
nicht
geboren!
Dennoch
entstand
ihr jeweiliges Œuvre eine Zeit lang sozusagen parallel in den letzten
Jahrzehnten des 20.
Jahrhunderts,
etwa
seit
den
1980er
Jahren.
Uwe
war schon
sehr
bekannt
und
geschätzt
und Kay fing erst
an mit der Kunst.
Was
uns
gedanklich-spielerisch
berechtigt, hier
gewissermaßen
in
abwandelnder
Ausdehnung – wir sehen hier tatsächlich
zwei Generationen und
nicht nur
eine - an den berühmten
Pinder mit seiner Generationen-Theorie anzuknüpfen. Die Parallelität hat Kay
hier durch die Hängung sichtbar gemacht und sozusagen einen Raum geschaffen
mit Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen, mit dem Nebeneinander unterschiedlicher künstlerischer
Positionen. Und das, verehrtes
Publikum,
ist
eine
absolut
moderne
Präsentation.
Nun werden
wir
konkret
und
beschäftigen
uns
mit
den
biographischen
Details
der
beiden
Künstler.
In Stichworten:
UWE
BANGERT
(Neumünster
1927
–
Bad
Segeberg
2017)
1948
Besuch
der
privaten
Kunstschule
Auf dem
Steinberg
in
Plön
bei
Karl Storch d. J. und
Prof. Erik Richter:
Anspruchsvolle und strenge Unterweisung im Zeichnen
nach
der
Natur,
solide
Ausbildung
in
den
traditionellen
Techniken
der
Öl-
und
Temperamalerei.
1950-1951
Studium
an
der Landeskunstschule
in
Hamburg
bei
Alfred
Mahlau,
mit
Horst Janssen und Vico
von Bülow in der Klasse Mahlau, letzterer besser bekannt als Loriot.
Seit 1951 als
freischaffender Künstler in Bad Segeberg tätig, 1953 Heirat mit Maria
Michaelsen,
vier
Kinder
(Peter/Maler,
Susanne/Musikerin,
Klaus/Naturwissenschaftler, Christine/Aquarell-Malerin in England). Studienreisen
(zum
Teil
mit
Stipendien)
nach
Venedig,
Rom,
in
die
Toskana,
1964
Künstlerkolonie
Ekely
in
Oslo,
1966
Paris
Cité
des
Arts,
auf
die
Inseln
Bornholm
und
Fünen, ins ElsassWerk:
Gleich
starke
Konzentration
auf
Portrait,
Landschaft
und
Natura morta
im
breiten Spektrum gegenständlicher, realistischer Kunstauffassung.
Neben dem kritischen
Realisten Harald Duwe und dem ZEBRA-Fotorealisten Peter Nagel entwickelte
Uwe
Bangert
seinen
unverwechselbaren
eigenen
Stil.
Bangerts
Realismus
ist
im Wesentlichen eine
Anverwandlung eher historisch approbierter Tendenzen der Neuen
Sachlichkeit
der
1920er
Jahre,
die
er
in
eine
individuelle,
spezifische Kunstsprache
übersetzt und bisweilen ins Magisch-Surreale hochsteigert.
Den sozusagen
altartigen
Realismus beherrscht
er
malerisch genauso
überzeugend
wie
die impressionistisch
gelockerte Darstellung von Wirklichkeit. Freunde,
Sammler,
Bewunderer
titulierten
ihn
scherzhaft
als
Uwe
Holbein, sagten
über
ihn,
er malt seine Bilder nicht, er
zweifelt sie und stritten sich darüber, ob er als
Maler
oder als
Zeichner
besser
sei.
Zu seinem 70.
Geburtstag ging 1997/98 die retrospektive Wanderausstellung über sein
Schaffen
mit
der
längsten
Dauer,
die
je
in
Schleswig-Holstein organisiert
worden
war,
auf Tour durch viele
Stationen im ganzen Land.
Wir
sehen
hier
exzellente
Beispiele aus seinem
Werk der
mittleren
Schaffensphase
der
1970er Jahre. Zur
Zeit
gibt
es
keine
Angebote
im
Netz,
d.
h. er
ist
im
Kunsthandel
nicht
präsent,
so
ist das hier eine gute
Gelegenheit vom
Altmeister
Bangert sich noch ein Bild zu sichern, sozusagen
direttissimo.
E
benso also sind die Bilder des Neuen Meister Kay Prinz zu erwerben!
Kay Prinz, aufs Jahr
genau eine Generation jünger, man zählt ja üblicherweise 30 Jahre für eine
Generation,
studierte an
der
Muthesius Kunstschule
in
Kiel.
Zu
Kays
Studienzeit hieß
sie noch so, seit
2005 nennt sie sich Kunsthochschule. Einer seiner Lehrer war damals Harald
Duwe. Wenn Sie Kay dort anpieken, kommen köstliche
Lehrer-Schüler-Künstler-Eskapaden zur Sprache……Aber, das müssen Sie ihn
schon selbst fragen…
Seine
Kunst
hat
sich
in
einem
breiten
Spektrum in
den
Medien
Acrylmalerei,
Aquarellmalerei, auch in Mischtechniken sowie in Zeichnungen mit
Kohle, Bleistift oder Feder entwickelt:
Portraits, Landschaften, Meeresbilder, Naturstücke, auch Tierstücke, witzige Alltagssituationen, meist in Aquarell, ebenso figürliche Szenarien mit erheblichen Botschaften.
Hier zitieren wir gleich das Aquarell Let Your soul be your pilot, inspiriert von einem Song von Sting. Überhaupt zeichnet den Künstler Kay Prinz aus, dass er existentielle Themen sozusagen im kulturellen Austausch mit Übersee, sprich mit Songtexten weltberühmter Stars wie Bob Dylan, Bruce Springsteen oder, wie bereits zitiert, Sting in seinen Bildern verbindet. Wir blicken da auch auf die Gemälde If I should fall behind, auf Stones in The Road und auf das ikonische Gemälde Like a Rolling Stone, das es als Alu-Dibond-Ausführung, quasi ein Druck mit geringer Auflage, hier gibt, denn das Original ist verkauft. Wir nennen es ikonisch, weil Kay Prinz hiermit eine klare Hommage an Bob Dylan, dargestellt als junger und als älterer Sänger, geschaffen hat, 2018, sozusagen im Nachgang zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur 2016 erstmals an einen Musiker (!) „für seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“.
Kays Bilder zu diesem
Komplex
seines
Œuvres
zeigen
uns
eine
moderne,
weltoffene,
globale
Art,
mit
den Zeichen, oder auch:
Krisenzeichen unserer Zeit umzugehen!Seine
durch
und
durch
malerische Bildwelt
bewegt
sich
zwischen
Message
und
intensiv
empfundenen
Natureindrücken
–
oft
Motive
hier
vis-à-vis
zu
seinem
Atelier
–
also
vom
Westensee. Aber auch, genauso intensiv, Motive von seinen Seherlebnissen auf See.
Jeder,
der mit Kay
befreundet ist, weiß: Im Frühjahr, spätestens ab Mai, ward er nicht mehr an
Land
gesehen.
Bevor
die
fiesen
Herbststürme beginnen,
kehrt
er
hier
an
den
Westensee
zurück
und seine Segelyacht überwintert im Bootshaus. So durchziehen sein
Werk blaue Wellen und
grüne
Auen!
Und
das
in
einer
hochsensiblen
Farbigkeit, hell
und
leicht,
und
doch
mehrfach geschichtet.
Was seine individuelle künstlerische Handschrift auszeichnet: In wahrhaft
unnachahmlicher
Weise
treibt
er
seine
Bilder
geradezu
zu
diaphaner
Transparenz!
Kommen wir dann doch gern auf die Frage des Stils zu sprechen, die wir bisher krampfhaft ausgeklammert haben. Uwe Bangerts Künstlergen hielt fest am Gegenständlichen, da spielte er bei seinen Darstellungen hin und her zwischen realistisch, impressionistisch, neusachlich eingefroren oder auch surrealistisch, wofür etwa Beispiele im Katalog zu sehen sind.
Das war zu seiner Schaffenszeit ein starker Trend, ganz und gar bewusst gewählt als Antirichtung gegen die Vorherrschaft der Abstraktion in der Nachkriegszeit. Wir denken da auch gern an die malerische Kriegserklärung von Peter Nagel mit seinem ZEBRA-Fotorealismus an die große Abstraktion!
Da gehört Uwe Bangert in seiner Bedeutung auch hin:
Wie Duwe und Nagel ist er ein
Repräsentant des norddeutschen Realismus, immer eine zeitlich parallele
Erscheinung zu vielen anderen, nicht nur abstrakten, Tendenzen in der Kunst der
zweiten Hälfte
des
20.
Jahrhunderts.
Doch „Gänsemarsch
der
Stile“,
aber
in breiterer
Formation,
oder eher die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen? Da sehen Sie mal, wie aktuell
dieser
Diskurs
ist!
Kay
Prinz
in
seiner
Generation
bewegt
sich
zwischen
Gegenständlichkeit,
latenter
Abstraktion und
feinsinnigem Experimentieren. Wenn wir im Denken von Kategorien bleiben: Damit
hat Kay einen im besten Sinne des Wortes ganz eigenartigen, eigengeprägten
„Stil“ geschaffen.
Unverwechselbar!
Das
Charakteristische
ist
das
Schwebende, das
Transparente,
ja
das
Diaphane,
die
zarte,
poetische, vorsichtige,
gefilterte
malerische Annäherung
an
die
Realitäten unserer Welt!
Und noch ein
Aspekt: Durch die
farbperspektivisch geschaffene Tiefe ergeben sich Denkräume. Ein
Stilbegriff dafür muss noch erfunden werden, so wir überhaupt darauf aus sind.
Das sticht Ihnen doch schon lange ins Auge, geben Sie es ruhig zu, liebe Kunstaffine, und wahrscheinlich denken Sie: Wann kommt sie denn endlich darauf zu sprechen? Gemeint ist Kays Seestück Fenster zur See, frisch gemalt für diese Bilderschau, 2024. Hier zeigt sozusagen seine Generation der älteren, was eine Harke ist, eine alte bekannte Redewendung, die die Überlegenheit über jemanden angibt. Kay hat doch einfach Bangerts Motiv der Alten Werkstatt als Wiederholung, auch stilistisch, in sein eigenes Bild implantiert!
Welch ein geistreiches Capriccio. Che sorpresa!
Oh, da regt sich Protest.
Kay sagt: „Nein, das
ist Ausdruck meiner Begeisterung für den Altmeister Bangert!“© Dr. Bärbel Manit
z, Kiel